Die AG Mathematik-Naturwissenschaften im VBS

Der mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht mit blinden und sehbehinderten Schülerinnen und Schülern sucht die Balance zwischen den curricularen Vorgaben der Kultusministerien auf der einen Seite und den Anforderungen einer blinden- und sehbehindertenpädagogischen Methodik und Didaktik auf der anderen Seite.

Die Empfehlung der Kultusministerkonferenz von 2009 zur Stärkung der mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bildung deklariert diese als „grundlegenden Bestandteil zeitgemäßer Allgemeinbildung“. Sie sei „eine wesentliche Voraussetzung für die aktive Teilhabe eines jeden Einzelnen an gesellschaftlicher Kommunikation und Meinungsbildung über technische Entwicklung und naturwissenschaftliche Forschung“ (KMK 2009, S. 1). Die entwickelten Bildungsstandards für die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer müssen durch blinden- und sehbehindertenspezifische Methoden und Verfahrensweisen ergänzt bzw. neue Wege dafür gefunden werden. Hierbei nimmt das handelnde Lernen einen unverzichtbaren Stellenwert ein.

Die derzeitige Praxis in der Bildung blinder und sehbehinderter Menschen zeigt, dass die Lehrkräfte sehr unterschiedliche Qualifikationen und Blickwinkel mitbringen. Häufig bedarf es kreativer Ideen Einzelner, um die vielen Facetten der Fächer blinden- und sehbehindertengerecht abzudecken. Daher ist es Ziel der VBS-AG Mathematik-Naturwissenschaften, für alle Interessierten ein Forum des Austausches zu sein. Dies gilt sowohl für diejenigen, die nach Ideen suchen, als auch für diejenigen, die diese einbringen können und möchten.
 

Mathematik

Gängiger Mathematikunterricht und die dazu gehörenden Lehrbücher sind in der Regel stark visuell orientiert. Hier bedarf es anderer Ansätze: taktile Abbildungen für zweidimensionale Darstellungen, Modelle für 3D-Abbildungen sowie das Erlernen des Umgangs mit Bildbeschreibungen.

Die Entwicklung des Zahlbegriffs sowie die weitere mathematische Begriffsbildung bedürfen bei blinden und sehbehinderten Kindern besonderer, handlungsorientierter Arbeitstechniken mit Alltagsbezug. Dies zeigt sich besonders beim grafischen Arbeiten als zentrales Element von Mathematikunterricht. Die übliche zweidimensionale Darstellung mathematischer Ausdrücke bedeutet immer eine Linearisierung, die das Erkennen von Strukturen im Vergleich erheblich erschwert.
Für hochgradig sehbehinderte und blinde Menschen ist dies nur unter Verwendung von besonderen Notationen wie traditioneller Mathematikschrift oder LaTeX umsetzbar, zumal LaTeX vereinbarungsgemäß als Standard im digitalen Schulbuch verwendet wird.

Für die Weiterentwicklung der spezifischen Methodik und Didaktik sowie der Arbeits- und Hilfsmittel sind folgende Punkte wichtig:
die Erweiterung „handwerklicher“ Kenntnisse und Fähigkeiten (z. B. Umgang mit spezifischen Materialien und technischen Hilfen)
der Umgang mit digitalen Systemen wie PC und Tablets (Nutzen von LernApps, Taschenrechneralternativen, LaTeX, Tabellenkalkulation und mathematisch-spezifischer Software)
die Entwicklung neuer Ansätze und Methoden (handlungsorientierte Vermittlungsstrategien, die alle Sinne mit einbeziehen).
die Verzahnung mit anderen Fachbereichen (z. B. Informationstechnologie, Naturwissenschaften, Sport oder auch Musik).

 

Naturwissenschaft

Die Empfehlung der Kultusministerkonferenz sagt außerdem über die mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Bildung: „Sie verhilft zum Verständnis der modernen Welt und ihrer prägenden Kräfte und Wirkungen“. (KMK 2009, S. 1) Um dieses Ziel auch für blinde und sehbehinderte Menschen zu erreichen, muss der Unterricht an deren Vorerfahrungen anknüpfen, welche möglicherweise von denen normal sehender Menschen abweichen. Umso wichtiger ist das Ermöglichen eines phänomenologischen Zugangs aus der Alltagswelt der Lernenden, um immer wieder den Bezug zu ihrer Umwelt begreiflich zu machen.
 
Vier Bereiche sind für dieses Ziel unverzichtbar:
 
  1. Das schülerorientierte Durchführen von Experimenten stärkt ihre Handlungs-, Methoden- und Sachkompetenz und nimmt damit wichtige blinden- und sehbehindertenpädagogische Lernziele in den Focus. Es ermöglicht außerdem die Berücksichtigung individueller Lernprozesse. 
  2. Die Nutzung spezieller Messgeräte und das Erlernen spezieller Arbeitstechniken. Gleichzeitig müssen insbesondere beim Einsatz von Messgeräten die Vielseitigkeit ihrer Einsatzmöglichkeiten, ihr Nutzen für den Alltag und die Anschaffungskosten gegeneinander abgewogen werden.
  3. Fachspezifische Notationen müssen für blinde Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden. Hierzu gehören LaTeX sowie Möglichkeiten, grafische Darstellungen von Strukturformeln,  Diagrammen oder Verlaufskurven nachvollziehbar taktil umzusetzen. 
  4. Die Erkenntnissicherung und ihre Interpretation, bei der Verwendung von Zeichnungen und Abbildungen in Umfang, Komplexität und Notwendigkeit müssen dem Einsatz von Modellen oder sprachlicher Darstellungsform gegenübergestellt werden.
 
Für die AG Mathematik-Naturwissenschaften:
Dagmar Finn-Jahn
Sabrina Betz
Barbara Henn
Die AG Mathematik wendet sich grundsätzlich an alle Pädagogen oder Eltern, die in die Vermittlung von Mathematik bei blinden und sehbehinderten Schülern involviert sind, unabhängig von der Lernumgebung oder der Schulstufe bzw. Schulart.
 

Themen

Die AG Mathematik bietet einerseits auf ihren Fortbildungen ein Forum zum Austausch von Erfahrungen und zur Diskussion alternativer Ansätze, andererseits organisiert sie Weiterbildung. Angesichts der abnehmenden Zahl von Pädagogen, die Gelegenheit haben, mit größeren Anzahlen blinder Kinder praktische Alltagserfahrungen zu sammeln und des gleichzeitigen Generationswechsels an den Schulen kommt ihr auch die Rolle eines Bewahrers von sonderpädagogischem Knowhow zu, das nur durch die Weitergabe und den Austausch lebendig und situationsangepasst bleibt. Die AG lebt davon, dass ihre Mitglieder aktuelle Themen und Fragestellungen einbringen - nur wenn die Tagungen die Bedürfnisse der Mitglieder spiegeln, können sie erfolgreich durchgeführt werden.
Deshalb brauchen wir INPUT! Und freuen uns über Mitarbeiter!!
Derzeit angedacht sind Veranstaltungen zu:
 
  • Verpflichtender Einsatz von Grafikrechnern in der Oberstufe in manchen Bundesländern - ist inklusive Beschulung dann noch möglich? Wie?
  • Einsatz des PCs in Mathematik - wie kann man sich als Lehrer und Schüler das Arbeiten leichter machen? Wie korrigiert man blindengerecht? Wie kann man LaTeX anpassen? Welche Markierungstechniken helfen sehbehinderten Schülern, welche kann man bei Blinden gut einsetzen? Wie arbeitet man ökonomisch mit der Suchfunktion des Rechners?
  • Mathematik und Bewegung - Mathematik in Bewegung? (Kooperation mit der AG Sport)
  • Mathe und künstlerische Fächer wie Kunst oder Musik - kann man sich durch deren größere Handlungsorientierung Synergieeffekte verschaffen? 
     
Wir freuen uns über JEDE  Anregung!!

Leitung

Dagmar Finn-JahnAG Leitung
Dagmar Finn-Jahn
BZBS Hamburg
Borgweg 17a
22303 Hamburg
Fax: 04621 807 405
E-Mail
Sabrina Betzstell. AG Leitung
Sabrina Betz
Nikolauspflege Stuttgart